„The Truth is Never Watertight“

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Lubaina Himid: Eine künstlerische Auseinandersetzung mit der Darstellung Schwarzer Menschen in den Medien

Die Darstellung Schwarzer Menschen in der britischen Zeitung The Guardian ist seit Jahrzehnten ein zentrales Thema in der Arbeit von Lubaina Himid, der Turner-Preisträgerin und bedeutenden Vertreterin des Black Art Movements. Ihre langjährige Auseinandersetzung mit diesem Thema fand einen neuen Höhepunkt, als sie im Rahmen eines einwöchigen Aufenthalts in der Redaktion der Zeitung redaktionelle Prozesse untersuchte.

Im Auftrag der Liverpooler Rapid Response Unit erhielt Himid einen überwachten Einblick in die Abläufe und Entscheidungsprozesse der Nachrichtenredaktion von The Guardian. Die Ergebnisse dieser intensiven Beobachtung flossen in ihre Ausstellung „Random Coincidence“ ein, die bis zum 7. Dezember in der Liverpool Central Library zu sehen war. Die Ausstellung vereint Erkenntnisse aus diesem Aufenthalt mit 35 Jahren künstlerischer Arbeit.

Die Anfänge: Beobachtungen und künstlerische Interventionen

Himids Interesse an der Darstellung Schwarzer Menschen in The Guardian begann 1983, als sie ein Jahr lang täglich eine Ausgabe der Zeitung kaufte. In dieser Zeit fand sie lediglich ein einziges Bild einer Schwarzen Person: einen simbabwischen Politiker. Zwischen 2006 und 2016 wiederholte sie diese Übung, diesmal mit einer künstlerischen Intervention. Sie übermalte Bilder und Anzeigen, die Schwarze Personen zeigten, und fügte ihnen eine persönliche Note hinzu – etwa, indem sie dem Fußballer Paul Ince eine Krone aufsetzte.

Diese künstlerischen Eingriffe waren nicht nur eine Kritik an der unzureichenden und oft stereotypen Darstellung, sondern auch eine humorvolle und zugleich tiefgründige Art, Würde und Individualität zurückzugeben.

Einblicke in die Redaktion und ihre Kritik

Während ihres Aufenthalts bei The Guardian identifizierte Himid zahlreiche problematische Muster. Dazu gehörten:

  • das Zuschneiden von Bildern Schwarzer Männer,
  • die Verwendung von Metaphern aus der Tierwelt in Schlagzeilen über Schwarze Sportler,
  • sowie die Platzierung von Anzeigen, die den Gesamteindruck einer Seite beeinflussen können.

Himid stellte fest, dass diese scheinbar „zufälligen Entscheidungen“ einen subtilen Eindruck von Verlust, Anderssein und Traurigkeit vermitteln. Während einige Redaktionsmitglieder entsetzt über ihre Beobachtungen waren, stieß sie auch auf höfliche, aber entschiedene Ablehnung. Ihre Kritik wurde oft mit dem Ausdruck „zufälliger Zufall“ abgetan.

Ein besonders wichtiger Punkt ihrer Kritik betraf die Platzierung von Titelseite und Rückseite der Zeitung, die oft negative Assoziationen hervorrufen. Himid nannte als Beispiel die Nähe eines Artikels über den Fußballer Paul Pogba zu einem Bericht über den verurteilten Sexualstraftäter Bill Cosby.

Zukunftsperspektiven: Ein künstlerischer Blick auf Biografien

Himid plant, das Projekt im kommenden Jahr fortzusetzen, wobei ihr Fokus auf Biografien liegen wird. Sie möchte untersuchen, wie Persönlichkeiten wie Barack Obama im Laufe der Jahre in The Guardian dargestellt wurden. In dieser neuen Phase will sie ihre Malerei stärker nutzen, um den dargestellten Personen Würde und Tiefe zu verleihen.

„Ich glaube, ich würde nichts erreichen, wenn ich einfach versuche, die Argumente zu malen“, erklärt sie. „Diese neue Serie muss darauf abzielen, den Menschen ihre Würde zurückzugeben.“

Lubaina Himid: Eine Pionierin des Black Art Movements

Lubaina Himid, 1954 auf Sansibar geboren, ist eine Schlüsselfigur des Black Art Movements der 1980er-Jahre. Ihre Arbeit, die sich sowohl ästhetisch als auch politisch positioniert, hat die Sichtbarkeit Schwarzer Künstler:innen nachhaltig geprägt. 2017 wurde sie als erste Schwarze Frau mit dem renommierten Turner Prize ausgezeichnet.

Im Kunstraum Tosterglope waren 2018 ihre Überarbeitungen von The Guardian zu sehen. Sie zeigten, wie die renommierte Künstlerin subtile Hinweise auf strukturelle Vorurteile sichtbar macht und die Mechanismen medialer Darstellung hinterfragt. Ihre Arbeiten sind kritische Reflexionen und zugleich künstlerische Interventionen, die zum Nachdenken über Rassismus und Repräsentation anregen.


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