Derzeit beschäftige ich mich mit einem in mehrerer Hinsicht heiklen Thema: Ein Heimatverein in einer niedersächsischen Kleinstadt möchte anhand konkreter Familienschicksale das ausgelöschte jüdische Leben in dieser Stadt darstellen und würdigen. Und zwar u.a. mit einer Website.
Da ich mich auch aus persönlichen Gründen dafür interessiere, habe ich mir einige Gedanken zur Umsetzung im Internet gemacht: Anders als Institutionen mit aktiven jüdischen Gemeinden, die auf größere finanzielle Mittel und eine bereits funktionierende Öffentlichkeitsarbeit zurückgreifen können, ging es mir bei den Überlegungen auch darum, Grundlagen zu schaffen, um eine geeignete Infrastruktur parallel mit aufzubauen. Denn diese ist hier nicht (mehr) vorhanden. Meines Wissens gibt es kein jüdisches Leben mehr in der Stadt, auch nicht im Kreis.
Überlegungen
Mögen meine Überlegungen für Experten irrelevant, vielleicht sogar ärgerlich sein. (Zumindest habe ich dieses Feedback während eines Interviews bekommen.)
Dennoch möchte ich meinen gedanklichen Weg darstellen und mit Ihnen teilen.
Ich habe verschiedene GesprächspartnerInnen befragt und festgestellt, dass auch andere Laien der professionalisierten Erinnerungskultur (mir fällt leider keine bessere Umschreibung ein) zu oft wenig abgewinnen können. Sie wirkt, trotz teils drastischer Darstellungen, irgendwie abstrakt, wenig zugänglich und kaum wirklich dialogbereit außerhalb der Fachkreise.
Weiß ich, wie man es richtig macht? Nein! Ich denke nur, dass es noch mehr Möglichkeiten gibt zu erinnern, zu würdigen und diese möchte ich herausarbeiten, diskutieren, vorschlagen, nach Möglichkeit umsetzen und lernen.
Dabei möchte ich in meinen Bemühungen ernst genommen werden, niemanden verletzen sowie nie falsch informieren.
Ich wage also den Schritt, weil er für mich persönlich ein wichtiger Lernprozess ist und eine Möglichkeit mich zu engagieren. Daher freue mich auch über Anregungen, Hinweise, konstruktive Kritik, Hilfestellung und über einen inspirierenden Austausch.
Ein Heimatverein als Lernfeld
Dem Heimatverein wurde eine große Menge an Dokumenten, wie Fotos, Briefe, Bücher sowie einige Einrichtungsgegenstände, überlassen. Diese beziehen sich auf konkrete Familienschicksale. In Teilen sind die Dokumente bereits „katalogisiert“.
Zum einen geht es um die Darstellung historischer Daten und Fakten aber auch Anekdoten und gefilterter privater Informationen. Zum anderen um die Aufbereitung und Präsentation mit geringem Budget. Diese Inhalte möchte er für Interessenten, Betroffene jederzeit verfügbar machen.
Neben dem Interesse des Heimatvereins: Wer interessiert sich sonst für diese Darstellung erloschenen jüdischen Lebens des Ortes?
An Heimatgeschichte Interessierte im Allgemeinen, mit Verbindung zur jüdischer Kultur.
Im Rahmen der Ahnenforschung.
Mitmenschen, die verstorbene Familienmitglieder suchen, etc. Also auch Menschen mit einem persönlichen, emotionalen Anliegen.
Sowohl bei der Konzeption als auch bei der Ansprache: Auf welche NutzerInnen möchte man sich konzentrieren? Ist eine Fokussierung notwendig, sinnvoll?
Gespräch mit Betroffenen
Ich habe Betroffene gefragt, was Ihnen bei der Erinnerungsarbeit wichtig ist:
Respektvoll gehört und gesehen werden
Würdigung von Schicksal und Lebensleistung
Anerkennung des erfahrenen Leids
Dialogbereitschaft / bzw. in Dialog treten zu können
Möglichkeit Begegnungen zu schaffen
Zu wissen, dass die anvertrauten Dokumente in guten Händen sind und zur Wissensvermittlung genutzt werden (z.B. in Schulen)
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