Erinnerung zu bewahren ist ein elementares Bedürfnis des Menschen; insbesondere wenn es um menschliche Katastrophen wie die Shoa geht. In einer Zeit, wo Stimmen lauter werden, die das Vergessen anmahnen, ist es von großer Bedeutung, sich dem entgegen zu stellen. Zum Vergessen ist es noch nicht gekommen; soweit darf es auch nie gehen. Es gibt überall Menschen, an die erinnert werden sollte.
Ihnen Namen, Gesicht und dem Gedenken an sie einen Ort zu geben, ist ein essentieller Beitrag zu unserer demokratischen Kultur. Gleiches gilt auch für das Erinnern und – soweit möglich- das Lebendig halten der Historie, der Kultur, der Gemeinschaft in einer Stadt. Auch wenn Aspekte im Heute keine Rolle mehr spielen; wie z.B. jüdisches Leben. Jede Stadt hat ein Gedächtnis. Dieses gilt es zu pflegen und wach zu halten, indem aufgezeigt wird, was möglich war und wieder sein kann. Nicht nur das Erinnern steht dabei im Fokus, sondern auch den Dünger auszuwerfen, damit sich Kultur, Leben wieder ansiedeln kann und will.
Ein Beitrag dazu ist die Darstellung jüdischen Lebens im ländlichen Raum, in seiner Vielfalt und Schaffenskraft. Wie lässt sich das nun bewerkstelligen? Eine Möglichkeit ist die Erschaffung von Erinnerungsinseln im Web. Als Website, die zum Dialog einlädt und ihren Schwerpunkt in der Kulturvermittlung sieht. Anhand von Familienchroniken, die mit Fotos, Dokumenten und Anekdoten anschaulich werden und lebendig gehalten werden; soweit dies möglich ist. Interessant finde ich, was meist vernachlässigt wird, wie geht es den Nachfahren heute, wie gehen sie selbst mit dem Erinnern um und wie hat sich das jüdische Leben im Laufe der Jahrzehnte verändert, sich weiterentwickelt? Statt also ausschließlich an die Shoa zu erinnert, wünsche ich mir einen Bogenschlag zum Heute. Auch um klar zu machen, dass es immer noch jüdisches Leben, eine lebendige jüdische Kultur gibt, die unser Leben bereichert.
Dies alles zu vermitteln; dabei möchte ich mich engagieren. Ich habe dazu begonnen, meine Gedanken und meine Erfahrungen aus dem Dialog zusammenzustellen und hier zu veröffentlichen.
Jüdische Allgemeine | Galsan Tschinag
In der Ausgabe vom 17.06.2021 findet sich ein bericht über die neue Nutzung der alten Synagoge in Gleusdorf (Untermerzbach/Unterfranken). Im Rahmen meiner Überlegungen zur Erinnerungskultur ist ein Satz aus dem Beitrag von Stefan W. Römmelt hängengeblieben. Der bayerische Antisemitismusbeauftragte Ludwig Spaenle merkte in seinem Grußwort an: Die in Gleusdorf gesetzte Botschaft sei, Judenhass aktiv mit dem Erinnern an das gemeinsame Leben in diesem Ort zu begegnen.
Abgesehen vom Ansatz der Antisemitismusbekämpfung: Macht es nicht Sinn, viel stärker auf dieses gemeinsame Leben hinzuweisen, dies zu zeichnen? Und wie kann das jeweils gelingen, wenn die überlieferten Erinnerungen teilweise nur spärlich oder gar nicht mehr vorhanden sind? (Abgesehen von: Na, dann geht es halt nicht.)
Und wie das manchmal so ist; ich lese derzeit das Buch Im Land der zornigen Winde von Amelie Schenk und Galsan Tschinag. Es geht unter anderem um das Erzählen, der Erinnerungskultur der Nomaden ( Das Volk der Tuwa in der Mongolei). Das Stammesoberhaupt der Tuwa berichtet in in diversen Varianten, wie wichtig es ist, sich vom Leben zu erzählen…direkt und in Form einer Geschichte. Hier sehe ich Parallelen zum Gedanken, sich vom gemeinsamen Leben Menschen, auch mit dem Hintergrund verschiedener Religionen und/oder Glaubensrichtungen, zu erzählen.
Keywords zur weiteren Recherche: Erzählcafé, Historytelling, digitales Storytelling, …
Ich freue mich über Ihre konstruktive Kritik, Anregungen und vielleicht sogar die Schaffung gemeinsamer Projekte.
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